Die Hansestadt L�beck stellt derzeit den Fl�chennutzungsplan (FNP) sowie den Verkehrsentwicklungsplan (VEP) neu auf. Diese f�r die L�becker Stadtentwicklung sehr wichtigen Planwerke k�nnen unter ganz unterschiedlichen Vorzeichen erstellt werden. Je nachdem, welche planerische Haltung eingenommen wird, f�llt das Ergebnis und die sich daraus ergebene Stadtentwicklung sehr unterschiedlich aus.
Der Bereich Stadtplanung und Bauordnung m�chte sich daher ein politisches Mandat einholen, mit welcher planerischen Haltung der anstehende Entwurf des FNP sowie der neue VEP angefertigt werden sollen. Mit dieser Beschlussvorlage soll nun die politische Weichenstellung f�r das L�beck im Jahr 2040 gefasst werden.
Aus Sicht der Verwaltung ist es erforderlich, wichtige Zielvorgaben politisch festzulegen, bevor die Planwerke in den konkreten Entwurf gehen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Verwaltung Ressourcen in Planungen steckt, die im weiteren Prozess politisch nicht mitgetragen werden.
Zur Vorbereitung dieses Beschlusses hat die Verwaltung in den letzten drei Jahren unter der Dachmarke L�BECK:�berMORGEN einen umfassenden Beteiligungsprozess durchgef�hrt:
- Umfrage zu den wichtigsten Themen der Stadtentwicklung f�r das Jahr 2040
- 9 Stadtteilveranstaltungen (+ Rahmenplanprozess)
- 10 Workshops an L�becker Grundschulen
- Webbasierter Stadtentwicklungsdialog unter https://uebermorgen.luebeck.de/projekte/stadtentwicklungsdialog/index.html
Im Rahmen des Stadtentwicklungsdialogs wurden der zuk�nftige Siedlungsfl�chenbedarf (Wohnbau- und Gewerbefl�chen) sowie der Modal Split-Zielwert thematisiert und vier m�glichen Szenarien der Stadtentwicklung f�r L�beck im Jahr 2040 zugeordnet:
- Szenario A – „Volldampf voraus!“
Das Szenario steht f�r expansives Wachstum: Zahlreiche neue Baufl�chen werden ausgewiesen; die Menschen bewegen sich in erster Linie mit dem privaten Automobil fort.
- Szenario B – „Kurs halten!“
Das Szenario schreibt die Siedlungsentwicklung und die Verkehrsentwicklung der vergangenen Jahre in die Zukunft fort.
- Szenario C – „Beidrehen!“
Das Szenario orientiert sich an vorhandenen Prognosen, geht aber in der Siedlungsentwicklung deutlich st�rker in Richtung Innenentwicklung sowie F�rderung des Umweltverbundes bei der Mobilit�t.
- Szenario D – „Hart Backbord!“
Das Szenario reduziert in aller Konsequenz den Fl�chenverbrauch sowie Treibhausgase im Verkehr. Es werden keine zus�tzlichen Baugebiete ausgewiesen und das private Automobil wird so weit wie m�glich zur�ckgedr�ngt.
Die Verwaltung empfiehlt aus fachlicher Sicht die Ber�cksichtigung von Zielwerten entsprechend dem Szenario C. Details zur Ausgestaltung und Bewertung der Szenarien sind unter obenstehendem Link zu finden. Die Ergebnisse der Beteiligungsprozesse sind den Anlagen A und B zu entnehmen. Die Ergebnisse sind dabei sehr vielschichtig ausgefallen. Auff�llig ist eine hohe Zustimmung der B�rger:innen zum Szenario D – insbesondere bei den Verkehrsthemen.
Zu Beschlusspunkt 1:
Der Beschlusspunkt beinhaltet konkrete Zielwerte f�r Baufl�chen. Diese konkreten Werte sind f�r die Ausrichtung des FNP von entscheidender Bedeutung.
Der Bereich Stadtplanung und Bauordnung legt bei der Siedlungsentwicklung die im Szenario C dargestellten (im Folgenden verk�rzt aufgef�hrten) quantitativen und qualitativen Vorgaben dem Entwurf des FNP zugrunde:
Quantitative Vorgaben:
- Zus�tzlich zu den bereits laufenden Bebauungsplanverfahren f�r Wohnungsbau werden weitere rd. 25 ha (brutto) Wohnbauland ausgewiesen.
- Es werden rd. 200 ha (brutto) zus�tzliche Gewerbefl�chen ausgewiesen.
Qualitative Vorgaben:
- Bevor Baufl�chen am Stadtrand ausgewiesen werden, ist zun�chst Innenentwicklung zu betreiben. Es werden die erforderlichen Ressourcen bereitgestellt, um auch schwierige Innenentwicklungspotenziale auszusch�pfen und im FNP darzustellen, wie z. B. Konversion von Industriebrachen oder nicht zukunftsf�higen Kleingartenfl�chen. Dabei wird die sog. „doppelte Innenentwicklung“ praktiziert. Das Leitbild der doppelten Innenentwicklung verfolgt das Ziel, Fl�chenreserven im Bestand baulich sinnvoll zu nutzen, gleichzeitig aber auch urbanes Gr�n zu entwickeln, zu vernetzen und qualitativ aufzuwerten (BMU 2021).
Zur Umsetzung der Zielwerte und der St�rkung/Bevorrechtigung der Innenentwicklung kommen folgende Instrumente in Frage, deren Umsetzung die Verwaltung im Rahmen der Aufstellung des FNPs pr�ft:
- Einrichtung einer Stelle f�r das Fl�chenmanagement zur Aktivierung von Brachfl�chen und Innenentwicklungspotenzialen
- Erstellung eines Innenentwicklungskonzeptes (z. B. f�r Zweite-Reihe-Bebauung u. �.)
- Baul�ckenkataster
- Erstellung und Umsetzung des Freiraumentwicklungskonzepts, Fortschreibung und Umsetzung des Landschaftsplanerischen Entwicklungskonzepts „Erholung“
- Integrierte Standortentwicklung an �PNV-Knoten
- Festlegung von Kompensationsma�nahmen durch kommunale Poolfl�chen und/oder �kokonten vorrangig im Stadtgebiet und Ausweisung von neuen Schutzgebieten f�r Natur und Landschaft
- Beschluss von Vorkaufsrechtssatzungen zur Erleichterung des Erwerbs strategisch bedeutsamer Fl�chen durch die Hansestadt
- Durchf�hrung von Stadtumbauma�nahmen (bspw. L�beck Nord-West)
- Entwicklung von interkommunalen Gewerbegebieten mit den Nachbargemeinden
- Gewerbeleitfaden f�r nachhaltige Gewerbegebiete
- St�rkung der Stadtteil- und Nahversorgungszentren mit Hilfe einer Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes
- (…)
Zu Beschlusspunkt 2:
Der Beschlusspunkt beinhaltet konkrete Zielwerte f�r den Modal Split. Diese konkreten Werte sind f�r die Ausrichtung des VEP von entscheidender Bedeutung.
Der Bereich Stadtplanung und Bauordnung legt bei der Verkehrsentwicklungsplanung die im Szenario C dargestellten quantitativen Vorgaben der Erstellung des neuen VEP zugrunde. Der VEP zeigt in Folge dessen den Weg auf, wie der bestehende Modal Split (Anteil zur�ckgelegte Wege – nicht gefahrene Kilometer) von
- 43 % Kfz-Verkehr
- 20 % Fahrradverkehr
- 12 % �PNV
- 25 % Fu�verkehr
hin zu folgenden Zielwerten verschoben werden kann:
- 30 % Kfz-Verkehr
- 27 % Fahrradverkehr
- 17 % �PNV
- 26 % Fu�verkehr
Die Werte k�nnen variieren, so lange der Zielwert von 70 % f�r den Umweltverbund gewahrt bleibt.
Zur Umsetzung der Zielwerte kommen folgende Instrumente in Frage, deren Umsetzung die Verwaltung im Rahmen der Aufstellung des VEPs pr�ft:
- Regio-S-Bahn (neue Haltepunkte und Taktverdichtung)
- Anpassung von Stra�enquerschnitten bei den Hauptrouten des Umweltverbundes
- Temporeduzierung zur Optimierung des Verkehrsflusses (z. B. Geschwindigkeitsbegrenzung 30 km/h)
- Busbeschleunigung
- Radschnellwege/Veloroutennetz
- Bauliche Verbesserung des Fu�- und Radewegenetzes, Verbesserung der Ampelschaltungen, Radfahrstreifen, etc.
- Neuzuordnung des Stra�enraumes zugunsten des Umweltverbundes an geeigneten Stellen
- Errichtung von Mikro-Depots in dicht besiedelten Stadtteilen
- Zus�tzliche Schnellbus- und Tangentiallinien
- Taktverdichtung
- Parkraum- und Car-Sharing-Konzepte in verdichteten Wohngebieten
- Mobilit�tsstationen
- (…)
Der Beschlusspunkt bezieht sich zwar auf die Erarbeitung des VEPs. Die Verwaltung w�rde den Beschluss in seinem Duktus allerdings auch f�r andere strategische Planwerke heranziehen – z. B. f�r die Erstellung des 5. RNVP.
Anwendungsbeispiel Szenario C:
Worauf w�rde Verwaltung konkret hinarbeiten, wenn Szenario C beschlossen wird und die Stadtplanung eine dementsprechende „planerische Haltung“ einnimmt? Das ist zwar grunds�tzlich offen und wird letztlich durch den FNP und den VEP festgelegt. Ein veranschaulichendes Beispiel f�r ein m�gliches Ergebnis des Prozesses kann aber folgendes (fiktives, aber nicht unrealistisches) Beispiel sein:


Der skizzierte planerische Ansatz ist schl�ssig und nachhaltig, jedoch sind alle Schritte mit erh�hten Aufwendungen verbunden. Ein Grundsatzbeschluss der B�rgerschaft ist erforderlich, wenn einem derartigen Ansatz Vorrang – z. B. vor einer Entwicklung auf der gr�nen Wiese – gew�hrt werden soll.
Zu Beschlusspunkt 3:
Das Szenario C ist aus fachlicher Sicht das Vorzugsszenario der Verwaltung. Gleichwohl ist im Ergebnis der Beteiligung festzuhalten, dass sich viele L�becker:innen noch mehr Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung w�nschen (siehe Anlage A). Der Beschlusspunkt 3 soll diesem Wunsch Rechnung tragen und u. a. der Beachtung der Klimaschutzbeschl�sse und insbesondere die Ausrichtung auf die Einhaltung des „1,5�C-Ziels“ bis 2040 betonen.
- Entsprechend dem Szenario C orientiert sich der FNP bei der Auswahl von geeigneten Gewerbe- und Wohnbaufl�chen konsequent an dem Grundsatz Innen- vor Au�enentwicklung unter Beachtung der „Doppelten Innenentwicklung“. Gewerbe- und Wohnbaufl�chen in st�dtebaulich nicht integrierten Lagen (Stadtrand) sind zuk�nftig nur ausnahmsweise anzustreben, wenn die Bedarfe durch Ma�nahmen der Innenentwicklung nicht gedeckt werden k�nnen. Dieser Nachweis ist im Rahmen des FNP-Verfahrens zu erbringen. Falls Au�enbereichsfl�chen f�r Gewerbe- oder Wohnbauland in Anspruch genommen werden m�ssen, sind Fl�chen in st�dtischem Eigentum bevorzugt in den FNP aufzunehmen. Die Bevorzugung von st�dtischen Fl�chen ist begr�ndbar und vergleichsweise nachhaltig, da auf diesen Fl�chen die st�dtebaulichen, klima- und sozialpolitischen Ziele der Stadt leichter verwirklicht werden k�nnen.
Um die st�dtischen Zielsetzung konsequenter auch auf den Au�enbereichsfl�chen im privaten Eigentum umzusetzen, soll der anlassbezogene Zwischenerwerb eingef�hrt werden. Voraussetzung f�r die Aufstellung eines Bebauungsplanes im Au�enbereich (� 35 BauGB) ist, dass neben der Einhaltung des Entwicklungsgebotes nach � 8 Abs. 2 BauGB die Fl�chen entweder im Eigentum oder in der Verf�gungsgewalt der Stadt stehen oder im Wege des Zwischenerwerbs min. 50 % des Bruttobaulandes an die Hansestadt L�beck ver�u�ert wurden (siehe Anlage C).
- Der �PNV in L�beck fu�t auf den S�ulen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und �ffentlicher Stra�enpersonennahverkehr (�SPV = Busverkehr). Nur den Busverkehr kann die Hansestadt L�beck als Aufgabentr�gerin unmittelbar selbst ausgestalten. Diese Ausgestaltung erfolgte in den vergangenen Jahren aufgrund der angespannten Haushaltslage nachfrageorientiert. Strategisch erfolgte eine ma�geschneiderte Anpassung des Angebots an die Bed�rfnisse der angenommenen Haupt-Nutzergruppen mit einer sukzessiven Ausd�nnung der Takte und einer Umstrukturierung des Netzes, bei dem gleichwohl das Ziel der Daseinsvorsorge noch im Blick behalten wurde. Auf diesem Wege konnte das finanzielle Defizit – in absoluten Zahlen gerechnet – verringert werden. Ein Zuschussbedarf seitens der Hansestadt L�beck war aufgrund des Querverbundes innerhalb des Stadtwerkekonzerns nicht erforderlich.
An der Haushaltslage hat sich in den letzten Jahren keine derart wesentliche �nderung ergeben, dass nun finanzielle Spielr�ume best�nden, die eine �nderung dieser Politik begr�nden k�nnten. Ge�ndert haben sich jedoch die globalen Rahmenbedingungen. In Folge des Klimawandels und dem in L�beck beschlossenen Klimanotstand muss dem Umweltverbund im Sinne einer Verkehrswende ein signifikant h�herer Anteil am Modal Split erm�glicht werden. Anders k�nnen die Klimaschutzziele mit gro�er Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden. Wenn der Busverkehr daran einen Anteil haben soll, geht dies aus Sicht der Verwaltung nur, wenn der Busverkehr zuk�nftig verkehrswendeorientiert ausgestaltet wird (siehe Anlage D). Das bedeutet, dass auch mit Mitteln der gezielten Ausweitung des Angebotes eine Steigerung der Nachfrage hervorgerufen wird. Dies wird mit gro�er Wahrscheinlichkeit mit einer Erh�hung des absoluten Defizits einhergehen, jedoch ist mit einer Verringerung des relativen Defizits – also bezogen auf die Anzahl bef�rderter Personen – zu rechnen.
Um die Verkehrswende in L�beck voranzubringen, ist ein Kraftakt erforderlich. Gleichwohl gibt es finanzielle Zw�nge, die eine Ausweitung des Busverkehrs erschweren. Sollte seitens der L�becker B�rgerschaft ein Paradigmenwechsel hin zu einem verkehrswendeorientierten �PNV nicht gew�nscht sein, wird der Busverkehr keinen nennenswerten Beitrag zur Verkehrswende leisten k�nnen. Die Verwaltung w�rde in diesem Fall den Fokus auf die �brigen S�ulen des Umweltverbundes legen und �berproportional die St�rkung des Radverkehrs und des Schienenverkehrs (Regio-S-Bahn) forcieren. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Aufgabentr�gerschaft f�r den SPNV beim Land liegt, wodurch die Hansestadt L�beck hier nur �ber begrenzten Gestaltungsspielraum verf�gt.
Die in Beschlusspunkt 2 aufgef�hrten Zielwerte f�r den Modal Split beim �PNV (Steigerung von 12 % auf 17 %) sind nur durch eine verkehrswendeorientierte Planung umsetzbar. Der Beschlusspunkt 3 b dient der Klarstellung.
- Das auf der UN-Klimakonferenz im Jahr 2015 verabschiedete �bereinkommen zum Klimaschutz, das aktuelle deutsche Klimaschutzgesetz, das diesj�hrige Karlsruher Urteil zum Klimaschutzgesetz, der European Green Deal und die Umsetzung des lokalen Klimanotstandsbeschlusses von 2019 (VO/2019/07738) erfordern f�r L�beck, die Treibhausgasemissionen drastisch zu senken: Der Masterplan Klimaschutz wird dieses konkretisieren. Bis sp�testens 2040 darf L�beck nicht mehr Treibhausgase emittieren, als vor Ort aus der Atmosph�re wieder aufgenommen werden k�nnen. Bis 2030 m�ssen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2019 halbiert werden. Alle vier Szenarien unterliegen der Ma�gabe, dass sie mit den L�becker Klimaschutzzielen in Einklang zu bringen sind. Anlage E zeigt mit Hilfe von Minderungspfaden m�gliche Wege auf. Daraus folgt, dass auch die unter den Beschlusspunkten 1 und 2 genannten, quantitativen und qualitativen Vorgaben f�r den FNP und den VEP der Klimaneutralit�t bis 2040 entsprechen m�ssen und ggf. nachzusteuern sind.
An den quantitativen Zielwerten des Szenario C in Bezug auf die Baufl�chenentwicklung und den Modal Split wird festgehalten.
Finanzielle Auswirkungen
Die Vorlage impliziert theoretisch erhebliche finanzielle Auswirkungen. Allerdings erfolgen diese nicht unmittelbar und k�nnen auch nicht beziffert werden, weil noch keine konkreten und r�umlich verorteten Ma�nahmen definiert sind.